Die Bedeutung "der Leere" Xu innerhalb der chinesischen Philosophiegeschichte und innerhalb der unterschiedlichen Übungspraxis kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Die Leere findet nicht nur innerhalb der verschieden klassischen Texte Erwähnung, sondern ist auch Bestandteil der für die Übungspraxis zentralen Transformationskette Jing, Qi, Shen, Xu.
Kubny schreibt dazu das chunqiudalun Kapitel 7 zitierend:
„Es ist doch so, dass diejenigen, dich sich verfeinern wollen, zuerst ihre körperliche Gestalt leeren und ruhigstellen müssen. Das Qi und die Feinstoffe bevorzugen (den Zustand, in dem die körperliche Gestalt ruhig gestellt und der Wille (bzw. das Bewußtsein) leer ist.
(Kubny 1995:145)
Wie wichtig der geistige Zustand der Ruhe und Leere innerhalb der Übungspraxis (Gongfu, Taijiquan, Qigong, Meditation) ist, zeigt sich deutlich in dem Klassiker Huangdineijing (Buch des Gelben Kaisers):
Gelingt es Dir, still und den Dingen gegenüber gleichgültig zu bleiben,
bleibst Du vollkommen demütig und leer –
dann wird der wahre Atem sich einstellen.
Bewahrst Du die geistigen Kräfte in Deinem Inneren,
wie könnte sich da eine Krankheit entwickeln ?
Atmest Du die Essenz des Lebens,
dann bist Du in Einklang mit Himmel und Erde und wahrst Geist, Muskeln und Sehnen, als wären sie eins.
(Huangdineijing Kap. 1 bei R. Bertschinger 1994:23)
Bezüglich der Leere und der damit einhergehenden Aufgabe des eigenen Egos schreibt Mazaheri:
„Gibt man jedoch in der Anpassung an die Natur sein Ego auf, so bedeutet das nicht etwa den Verlust von Identität, sondern ein Höchstmaß an Identität, da man nun an der umfassenderen Identität -„Natur“ und nicht nur an der eigenen, begrenzten - teilhat.“
(S. Mazaheri 1997:426)
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Mensch im Zustand mentaler Leere weder Tod noch lebendig ist und somit beide Bereiche (Diesseits & Jenseits) durchdringt. Dies befähigt ihn von der einen Sphäre in die andere zu wechseln und somit die Urkräfte für sich zu nutzen (Vgl. hierzu M. Kubny 1995:154) Dieses metaphysische Theorie der magischen Körper-Geistübungen Chinas bildet die Grundlage chinesischer Übungspraxis wie sie im Qigong, Taijiquan, Gongfu und der Meditation Anwendung findet.